DTL-Finale 2023 | RSG
Anna Shenenko: «Das Finale ist immer am krassesten»
«Die Stimmung ist gut und alles ist bis ins Detail vorbereitet. Da macht sich in Dir dieses Gefühl breit, dass es ein ganz besonderer Wettkampf ist», erklärt sie. Für die 17-Jährige vom TSV Bayer 04 Leverkusen ist es am 11. November der dritte Auftritt ein einem Endkampf der Bundesliga. Gleich beim Final-Debüt schaffte das Team aus der Chemiestadt den Sprung nach ganz oben, ging als erster RSG-Titelträger der Deutschen Turnliga in die Turngeschichte ein. «Jedes Jahr freuen wir uns wirklich jedes Mal aufs Neue auf diesen Wettkampf. Er ist einfach etwas Besonderes, denn wir turnen nicht für uns persönlich, sondern für unser Team. Der Teamgeist ist da überall zu spüren. Und es macht richtig, richtig Spaß, zusammen zu kämpfen», schwärmt sie.
Für eine Einzelgymnastin ist das alles gefühlsmäßiges Neuland. «Normalerweise bist du ja hauptsächlich mit dir selbst beschäftigt. Du ganz allein mit deiner Übung», erklärt Shenenko. In der Bundesliga gebe es dagegen eine viel krassere Unterstützung. «Das Team nimmt Dir diesen Gedanken einfach weg. Wenn ich in der Kiss-and-Cry-Ecke an der Seite die Mädels sitzen sehe und ich nehme sie dann während meiner Übung wahr, wie sie so richtig mitfiebern, schreien und aufhüpfen, das ist dann noch einmal etwas völlig anderes als ein Einzelwettkampf», sagt die gebürtige Düsseldorferin.
Shenenko ist ein geborener Teamplayer. Jede Art von Eitelkeiten liegen ihr fern. Sie liebt es vielmehr, wenn die Dinge gemeinsam vorangetrieben werden und sie dabei mit ihrem Können auch den ganz persönlichen Anteil zum Teamerfolg beitragen kann. Und das waren in den beiden Vorrunden immerhin 176,899 Punkte, ein absoluter Topwert im Oberhaus. «Bei mir steht in der Bundesliga immer als erstes der Gedanke, dass ich für mein Team turne. Ich bin Teil von Bayer 04 Leverkusen, meinem Heimverein», betont Shenenko.
Natürlich wolle sie dabei auch sich selbst präsentieren, aber das stehe in der DTL nur an zweiter Stelle. «Ich möchte dort für Bayern 04 Leverkusen turnen. Im Endeffekt geht es dann eben nicht darum, dass Anna Shenenko den Sieg holt. Es geht drum, dass Bayern 04 Leverkusen den Sieg holt», sagt sie. Deswegen sei es für sie auch wirklich wichtig, gut zu turnen. «Ich habe das permanent im Hinterkopf. Und ich spüre das auch», verrät sie.
Das Scoresystem, das in der Rhythmischen Sportgymnastik im Finale zur Anwendung kommt, bereitet Shenenko kein Kopfzerbrechen. «Ich sehe das ein bisschen wie ein Game. Einfach als zusätzlichen Spaßfaktor», findet sie. Grundsätzlich gebe es in Leverkusen eine Strategie, wer gegen wen ins Rennen gehen wird. Und wenn sich die aus taktischen Gründen mal ändert, für Shenenko auch kein Problem. «Ich bereite mich ja vor. Und ich stelle mich auch schon mal vor die Fläche. Da brauche ich jetzt nicht noch zehn Gymnastinnen vor mir, um bereit zu sein», findet sie. Wenn die Konkurrentin vor ihr starte, dann wüssten die Trainer ja meistens schon Bescheid. «Sie sagen, okay, Anna, du bist wahrscheinlich die Nächste. Dann geben sie mir das Zeichen. Ich komme kurz runter und mache nochmal das, was ich brauche. Wenn ich mich von solchen Sachen stressen lasse, dann wird es auch mit der Übung nichts», findet sie.
Mit der Rhyhtmischen Sportgymnastik hat Shenenko verhältnismäßig spät angefangen. «Mit achteinhalb Jahren in Düsseldorf. Für eine Karriere in der RSG ist das sehr, sehr spät», weiß sie. Der Grund dafür ist allerdings so einfach wie verblüffend: «Ich habe früher Eiskunstlaufen gemacht», erzählt Shenenko. In den Sommerferien sei dann Pause beim Eiskunstlaufen gewesen, weil die Hallen alle zu hatten. «Deswegen war da erstmal nichts mit trainieren. Damit ich fit bleibe, wurde ich zur RSG geschickt», erinnert sie sich. Dort habe es ihr auf jeden Fall gefallen. «Ich will jetzt nicht lügen, aber ich glaube, dass ich mich damals dort wirklich sehr gut gefühlt hab. Und ich glaube auch, da war mehr Perspektive zu sehen», sagt sie.
Shenenko ist in Deutschland geboren, ihre Wurzeln jedoch hat sie in der Ukraine. «Meine Tante ist dort eine sehr gute Trainerin. Die war mir damals meine maximale Hilfe. Ich bin zwar sehr spät zur RSG gekommen, aber nachdem ich dann endlich mal dort war, hab ich wirklich sehr, sehr viel meiner Tante zu verdanken», betont sie. Irgendwann sei sie dann von Düsseldorf nach Leverkusen gewechselt, weil die beiden Clubs gut zusammenarbeiteten. «Wir hatten Lehrgänge in Leverkusen. Und dann hat es mir dort einfach gefallen. Natürlich war auch das Niveau höher», erklärt sie.
Shenenko zwischen Zeichenstift und Häkelnadel
Wenn sie einmal Zeit für sich hat, holt sich Shenenko Papier und Stift aus der Schublade. «Ich zeichne in meiner Freizeit viel», sagt sie und lacht dann: «Ich hatte auch mal eine krasse Häkelphase. Jetzt habe ich im Moment keine Zeit, weil ich jetzt viel mit Schule und Wettkämpfen und alldem zu tun habe. Denn ich habe jetzt Schule gewechselt und bin jetzt auf dem Gymnasium», erzählt sie.
Im Wettkampfmodus dagegen setzt Shenenko auf ein anderes probates Entspannungsmittel. «Vor dem Wettkampf höre ich in jedem Fall Musik. Während der Erwärmung und dann eben, bis ich mein Gerät nehme. Danach wird es ein bisschen schwer mit den Airpods, ohne dass die rausfallen. Aber da finde ich auf jeden Fall zu mir selbst. Auch wenn ich mich für den Wettkampf schminke, egal ob jetzt zu Hause oder im Hotel, dürfen meine Airpods nicht fehlen», verrät sie.
Und dann ziehen auch emotionale Augenblicke aus vergangenen Wettkampftagen der Bundesliga vor ihrem inneren Auge vorbei. «Das Schönste sind immer die Momente nach der Übung und nach dem Wettkampf. Wenn das Ergebnis verkündet wird und wir uns mit dem gesamten Team und den Trainern in den Armen liegen. Wenn sich einfach alle in die Arme fallen», sagt sie. Shenenko erzählt auch vom Trost, wenn die eigene Übung einmal nicht so gut war, aber auch von den Glücksgefühlen, gefeiert zu werden, wenn alles perfekt zusammenlief. «Wenn Dir jemand sagt, ist nicht so schlimm, wir haben noch die oder die. Die können wir dann stellen. Wenn Deine Übung natürlich gut war, dann umso besser. Dann wirst Du einfach von allen Seiten sehr gehypt», sagt sie.
Allein für dieses Gefühl habe sich jegliche harte Arbeit im Training gelohnt. «Und egal, wie es am Ende ausging, es hat mich einfach jedes Mal aufs Neue für die Zukunft gepusht», empfindet sie die Bundesliga als großen Motivations-Booster. «Es ist einfach ein sehr, sehr gutes Gefühl, als Team zu starten», betont sie und freut sich schon jetzt auf das Finale am Samstag.