WM TURNEN | LIVERPOOL
Dauser liefert: WM-Silber in Liverpool

Lukas Dauser hat im Finale am Barren abgeliefert. Der 29 Jahre alte Bundesligaturner vom deutschen Meister TuS Vinnhorst gewann am letzten Tag der Weltmeisterschaften in Liverpool die Silbermedaille am Barren. «Verrückt, ich kann es gar nicht beschreiben. Klar ist es irgendwo das Ziel, worauf man immer hinarbeitet und das jetzt Wirklichkeit wird», sagte Dauser nach dem Finale. Denn das Jahr sei für ihn kein leichtes gewesen. «Seit der Europameisterschaft habe ich dann einfach Gas gegeben und gesagt, ich warte auf meine nächste Chance und heute kam sie», sagte er. Und Dauser griff zu. «Jetzt fliege ich mit einer Silbermedaille nach Hause, das kann ich noch gar nicht richtig realisieren, das ist einfach unbeschreiblich», fand er.

Schon mit dem Ende seiner Übung hatte Dauser das Gefühl, dass es für eine Medaille reichen konnte. «Dann kam die Wertung und ich war auf Platz eins. Und es kam der Chinese. Der ist einfach Wahnsinn, der Typ», fand der Vize-Weltmeister und machte sich ob der turnerischen Schwierigkeiten selbst Mut. «Man muss schon sagen, er hat ganz verdient gewonnen. Es ist für mich ein bisschen bitter, dass er genau zu der Zeit gut ist, in der ich auch gut bin», sagte Dauser. Doch auch Dauser weiß aus eigener Erfahrung, dass es schnell geht im Sport. «Alles kann passieren. Ich warte jetzt auf meine nächste Chance, einen Platz weiter oben stehen zu können», will er in jedem Fall bereit sein.

Weltmeister am Barren wurde der Chinese Zou Jingyuan der mit 16,100 Punkten bei einem Schwierigkeitswert von 9,266 alle üblichen Dimensionen sprengte. «Das ist das erste Mal, dass ich diese Übung mit dem Schwierigkeitsgrad 6,9 geturnt habe. Zuerst wollte ich mich nur an den ursprünglichen Plan halten, den Schwierigkeitsgrad 6,5 zu verwenden und ihn perfekt zu turnen. Aber ich entschied mich, die schwierigere Übung zu turnen, um mich selbst zu fordern. Man hat gesehen, dass ich ein bisschen gehetzt und wackelig war, es war ein bisschen Druck da. Aber ich bin mit meiner Leistung zufrieden», erklärte der neue König der Holmengasse. Um gleich noch hinzuzufügen, dass das Ende der Fahnenstange damit noch nicht erreicht war betonte er: «Das ist nicht alles, was ich in der Tasche habe. Ich habe noch einige andere Übungsteile, die den Schwierigkeitsgrad erhöhen könnten, wenn ich sie einbaue.»

Dem WM-Dritten Philippino Carlos Edriel Yulo, der mit 15,366 Punkten am Ende Bronze gewann, verschlug die Übung des Weltmeisters beinahe die Sprache. «Mein Trainer und ich konnten nichts sagen, wir waren sprachlos. Er ist kein Mensch. Wie er am Barren turnt, da kann ihm keiner das Wasser reichen. Er ist der Einzige, der so etwas kann. Für mich ist er wie ein Gott. 16,1 - wie, was?», fand er.

Finale am Sprung

Das Finale am Sprung hatte zuvor im Zeichen zweier Bundesligaturner gestanden: Der 30 Jahre alte Armenier Artur Davtyan hatte am Ende mit 15,050 Punkten die Nase vorne. «Seit dem Zerfall der Sowjetunion ist dies das erste Gold für Armenien bei einer Weltmeisterschaft. Wir wurden am Samstag Dritter am Pauschenpferd und jetzt haben wir Gold geholt», freute sich der 30-Jährige und verriet auch gleich noch das Erfolgsgeheimnis des armenischen Turnens: «Den Erfolg verdanken wir unseren Trainern und unserer Geschlossenheit. Wir haben eine Menge Schwierigkeiten durchgemacht und hart gearbeitet, um uns ständig zu verbessern. Leider herrschen in Armenien keine sehr guten Bedingungen - wir haben keine Trainingszentren oder -einrichtungen. Das Wichtigste ist, Verletzungen zu vermeiden und zu versuchen, gesund zu bleiben und unverletzt zu bleiben. Zum Glück konnten wir diese Goldmedaille erringen», war Davtyan erleichtert und glücklich zugleich.

Dritter wurde hinter dem Philippino Carlos Edriel Yulo mit 14,950 Zählern. der Ukrainer Igor Radivilov vom Bundesligisten SC Cottbus mit 14,733 Punkten.  Nach seinem zweiten Sprung war der sichtlich bewegt, kämpfte für wenige Momente mit den. «Diese Weltmeisterschaftsmedaille ist sehr wichtig für die Ukraine, wegen des Krieges und der Probleme, die wir im Training hatten», erklärte der 30-Jährige vom Bundesligisten SC Cottbus, der aus der zerstörten ukrainischen Hafenstadt Mariupol stammt.

«Diese Medaille wird mir helfen, mich auf die nächsten Weltmeisterschaften und die Olympischen Spiele vorzubereiten, und vielleicht gibt es noch eine weitere Medaille für mich», wagte er dann bereits einen Blick in die Zukunft. Nun sei er aber vor allem eines: «Sehr müde, aber glücklich über das Ergebnis», sagte er.

Finale am Reck

Zum Abschluss der 51. Weltmeisterschaften wehte noch einmal das Sternenbanner über der M&S Bank Arena von Liverpool. Der Bronzemedaillengewinner von 2021, Brody Malone (USA), schaffte es diesmal bis ganz an die Spitze. Seine 14,800 Punkte konnten weder der Japaner Daiki Hashimoto (14,700) noch der Brasilianer Arthur Mariano (14,466) überbieten. «Das ist definitiv das Sahnehäubchen auf dem Kuchen. Diese Woche war ziemlich hart für uns. Die Vorläufe und das Teamfinale waren nicht so toll. Im Mehrkampffinale lief es etwas besser, und es schien, als würden wir uns steigern. Das war ein guter Abschluss», fand Malone. Doch nicht die spektakulären Teile seiner Übung hatten dem 22-Jährigen aus Johnsson City, Tennessee, «Ich wusste, dass ich da rausgehen und den Handstand turnen musste. Bei solchen Sachen darf man nicht selbstgefällig werden. Das war mein Hauptziel für diese Übung, diese beiden Handstände zu schaffen», erklärte er. 

Mehrkampf-Weltmeister Hashimoto dagegen machte keinen Hehl daraus, dass er von sich und diesem Tag mehr erwartet hatte. «Ich bin ein bisschen enttäuscht über die Silbermedaille. Aber es war gut, im Finale zu stehen. Jetzt muss ich einen weiteren Schritt machen, um Gold zu gewinnen Ich werde mein Bestes geben, um daran zu arbeiten. Erst für das nächste Jahr und dann für die Olympischen Spiele 2024 zu arbeiten», versprach er.

Ganz anders fühlte sich da der WM-Dritte Mariano: «Ich bin sehr glücklich und sehr emotional. Ich habe viel gearbeitet, um mich in diese Position zu bringen. Ich habe immer an den Prozess geglaubt - manchmal zweifle ich an mir selbst, aber man muss immer an den Prozess glauben und dann kann man es schaffen», sagte er. Im Reckfinale der WM hatte er das Feld von vorne attackieren müssen. «Als wir die Auslosung sahen, wussten wir, dass es keine einfache Position war. Ich musste einfach meine Übung durchziehen und Druck auf die anderen ausüben», laute seine Strategie. Lautstark unterstützt wurde er dabei vom Rest des brasilianischen Teams, allen voran Mehrkampfweltmeisterin Rebeca Andrade: «Wir sind zusammen aufgewachsen. Wir sind wirklich gute Freunde. Ich schaue den Mädchen oft beim Training zu. Manchmal verbringe ich mehr Zeit mit dem Frauenteam als mit dem Herrenteam. Und ich hoffe, dass unsere Freundschaft ein Leben lang hält», sagte er.

06. November 2022
Nils B. Bohl | yds

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