1. BUNDESLIGA | MÄNNER
Topscorer Willi Binder will mit Cottbus ins Finale
«Die ersten Jahre hatte ich hier schon ein bisschen zu kämpfen, da war in der Grundschule meine sächsische Aussprache noch ziemlich präsent», erinnert er sich. Die besondere Ausstrahlung, die den Sachsen nachgesagt hat, hat er ebenso konserviert wie die Ordnungsliebe: «Wir Sachsen sind gefühlt strukturierter. Auch die Ordentlichkeit habe ich von zuhause beibehalten. Aber ich glaube, am Ende nimmt sich nicht viel. Wir sind ja praktisch Nachbarn», glaubt er. Mittlerweile studiert er im fünften Semester Internationales Management. «Übrigens den gleichen Studiengang wie Lukas Dauser», sagt er. Binder empfindet das Studium vor allem als Ausgleich für den Kopf. «Den ganzen Tag nur ans Turnen zu denken, tut nicht so gut. Das gibt mir so ein bisschen Ablenkung und die brauche ich auch», betont er.
Mehrkämpfer Binder freut sich über sein erstes Topscorer-Shirt
Das Konzept funktioniert offenbar. «Ich bin jetzt schon ein paar Jahre dabei. Aber vor zwei Wochen bin ich zum ersten Mal Topscorer geworden», erzählt er. Das Shirt bekommt natürlich einen Ehrenplatz. «Ich muss sagen, dieses Jahr ist das Shirt sogar cooler als die Jahre zuvor», findet er.
Binders Spezialgebiet ist der Mehrkampf. Das macht es für Nachwuchsturner nicht ganz so leicht, in einem Bundesligateam Fuß zu fassen. «Wenn du am Anfang noch relativ jung bist und noch nicht so stark im Mehrkampf, kommst du meistens nicht so zu den Einsätzen. Du bist zwar überall gut, aber da gibt es natürlich Ältere, die sind einfach schon weiter», räumt er ein. Gerätespezialisten hätten es da zumeist wesentlich leichter. «Wenn du Spezialist bist und kannst nur drei Geräte, dann wirst du meistens an denen auch eingesetzt», sagt er. Mehrkämpfer dagegen müssten erst einmal an allen Geräten konkurrenzfähig werden. «Da ich mich aber in den letzten Jahren als Mehrkämpfer etabliert habe, bin ich nun einer, der in fast jedem Wettkampf viele Geräte turnt. Da kann man natürlich gut Scorepunkte sammeln», liefert er die Begründung für seine hohe Ausbeute.
Meistens, sagt Binder, müsse er in einem Bundesligawettkampf an drei bis sechs Geräten ran. «Diese Saison habe ich allerdings in den beiden ersten Wettkämpfen sechs Geräte geturnt. Und ich nehme an, das wird die nächsten Begegnungen auch nicht weniger werden», erwartet er.
Sportlerromantik: Über lange Busfahrten und tiefgehende Gespräche
Hin und wieder bleibt sogar ein bisschen Zeit für Sportlerromantik. Lange Busfahrten zum Beispiel. Die haben sie in Cottbus praktisch bei jedem Auswärtsduell. «Manchmal ist es so, dass auf langen Fahrten über Sachen im Bus geredet wird, die man vielleicht nie wieder irgendwann so erzählt. Auch nicht in der Halle», sagt Binder. Andere Themen als Turnen seien das. Tiefere Gespräche eben. «Man ist ja nicht mit jedem so richtig dicke. Aber da kommt es auch mit denen schon mal zu Gesprächen, zu denen es vielleicht sonst nicht so kommen würde. Das ist schon cool», findet er.
Darüber hinaus haben die langen Busfahrten nach seiner Ansicht weitere positive und negative Seiten. «Es ist für den Körper und die Muskulatur natürlich schwerer, nach so einer langen Fahrt direkt am nächsten Tag den Wettkampf zu turnen. Das ist eine Herausforderung, vor allen Dingen, wenn man noch mehrere Geräte turnen muss», erklärt er. Besonders an den Sprunggeräten, die auf die Beine gehen, sei das so. «Aber dafür kann man neue Sachen sehen, neue Städte, neue Leute, eine neue Umgebung. Und man ist mit seinem Team unterwegs, verbringt die Zeit zusammen. Und abends nach dem Wettkampf geht man noch raus und macht etwas zusammen. Vielleicht sogar mit der anderen Mannschaft. Das ist schon cool und es macht auch Spaß», bekennt er.
Mit vollem Druck gegen den härtesten Gegner auf dem Papier
SCC-Teammanager Devin Woitalla ist sich dagegen noch nicht sicher, ob sein Mehrkämpfer Binder im Duell gegen den achtfachen Meister aus Straubenhardt über alle sechs Geräte gehen wird. «Schließlich hat er am Donnerstag noch die Juniors Trophy gewonnen. Und das ist nicht ohne, da ist immerhin internationale Konkurrenz am Start», betont er. Auf der anderen Seite könnte er den Topscorer natürlich gut gebrauchen. «Straubenhardt ist die härtestete Nummer auf dem Papier. Da musst Du mit vollem Druck turnen, da ist nichts mit erleichterter Übung oder so», sagt er. Und erinnert gleichzeitig daran, dass die Cottbuser auch den damals übermächtigen TuS Vinnhorst schon einmal niedergerungen haben. «Auch damals hatten wir vom Papier her eigentlich keine Chance», erinnert er. Und geht es nach Woitalla, könnte sich dieser Sachverhalt am Sonntag gegen Straubenhardt in der Lausitzarena (ab 15:00 Uhr) gerne noch einmal wiederholen.
Straubenhardts Coach Brian Gladow ist sich dieser Gefahr durchaus bewusst: «Ich denke, Cottbus wird dmit Sicherheit der stärkste Gegner sein, den wir bis jetzt hatten. Deswegen fahren wir wieder mit Ausländer und vollem Team in die Lausitz», kündigte der 36-Jährige an, der in der Lausitzarena auf den von einer Coronaerkrankung wiedergenesenen Pascal Brendl zurückgreifen kann. «Pascal kommt hoffentlich an zwei bis drei Geräten zurück, aber das werden wir sehen», wünscht sich Gladow. Auch Ivan Rittschik könnte nach seinem Moderatoreinsatz vom vergangenen Wochenende diesmal als Pauschenpferdspezialist noch einmal auf Punktejagd gehen. Fehlen wird dagegen der 18 Jahre alte Mert Öztürk. Unterstützung erhalten die Straubenhardter wieder durch den kanadischen Olympiamedaillengewinner Felix Dolci. Denn der zweifache Topscorer Illia Kovtun aus der Ukraine macht zwei Wochen Pause vom Wettkampfgeschehen. «Wir geben auf jeden Fall wieder alles, damit wir einen ungefährdeten Sieg nach Hause fahren. Aber wie gesagt, es wird nicht so leicht werden wie gegen die ersten beiden Gegner», ist Gladow überzeugt.
Bereits am Samstag treffen am dritten Wettkampftag die Siegerländer KV auf Eintracht Frankfurt (17:00 Uhr) sowie Schlusslicht TSV Pfuhl auf die TG Saar und TuS Vinnhorst auf den TV Schwäbisch Gmünd-Wetzgau (beide 18:00 Uhr).